Keine Angst vor dem Crash

Ein breit gestreutes Aktieninvestment zahlt sich langfristig meist aus. FOTO DPA/TMN  Foto: Adobe Stock

Lange Zeit ging es an den Börsen vor allem aufwärts. Das nährt die Angst vor einem Absturz. Doch ist ein Crash wirklich etwas Schlechtes?

28.10.2021

Steigende Energiepreise, hohe Inflation, drohende Pleite des chinesischen Immobilienunternehmens Evergrande – die Unsicherheit an den Finanzmärkten steigt. Konnten Anleger sich lange über steigende Kurse freuen, müssen sie derzeit mit größeren Schwankungen zurecht kommen. Stellt sich die Frage: Jetzt lieber alles wieder verkaufen? Die Antwort: Besser nicht.Warum, zeigt ein Blick zurück: Krisen gab es in der Vergangenheit einige. Sie konnten Aktienkursen aber meist nur kurzfristig einen Dämpfer verpassen, erklärt die Aktion „Finanzwissen für alle“ der im deutschen Fondsverband BVI organisierten Fondsgesellschaften. So haben die Börsen weltweit die zum Beispiel während des Crashs 1987 oder der Corona-Krise im März 2020 erlittenen Verluste wieder mehr als ausgeglichen.Der Grund liegt auf der Hand: Die Wirtschaft wächst auf lange Sicht, und damit steigen auch die Unternehmenswerte. Das spiegelt die Börse wider. Berechnungen zeigen, dass Aktien weltweit, auf US-Dollar-Basis berechnet, seit 1900 eine jährliche Rendite nach Abzug der Inflation von im Schnitt 5,5 Prozent erzielt haben. Von zwischenzeitlichen Kursbewegungen sollte sich deshalb niemand beeindrucken lassen. Besser ist es, seiner Strategie treu zu bleiben, am besten mit einem nach Branchen und Regionen diversifiziertem Portfolio.

Einzelne Aktien sollten aus Sicht der Stiftung Warentest dabei kein zu hohes Gewicht im Depot bekommen. Als Basis für ein breit aufgestelltes Depot biete sich ein Indexfonds auf einen weltweiten Index wie den MSCI World oder den FTSE All World an, auf die zum Beispiel ein Sparplan angelegt werden kann. Das kann sich über einen langen Zeitraum lohnen: Wer etwa ab Mai 2000 jeden Monat 200 Euro in einen ETF auf den Weltindex MSCI World gesteckt hat, konnte 20 Jahre später über fast 100.000 Euro verfügen. Das ist mehr als doppelt so viel wie eingezahlt.

Von einem Crash profitieren

Doch was, wenn die Kurse in der Breite in den Keller rauschen? Bloß keine Panik, rät Gerd Kommer, Finanzexperte und Buchautor. Im Gegenteil: „Junge Anleger, die noch nicht in der zweiten Lebenshälfte sind, werden von einem Crash vermutlich sogar profitieren“, sagt der Finanzexperte und Buchautor.

Wer viele Jahrzehnte am Aktienmarkt investiert – eine der Grundregeln für den Anlageerfolg – wird sehr wahrscheinlich einen Crash erleben. „Je früher dieser Crash in der Vermögensaufbauphase unter sonst gleichen Umständen kommt, desto höher ist am Ende das Vermögen.“

Am Anfang sind die angesparte Summe und der erwirtschaftete Ertrag in Geldeinheiten noch übersichtlich. Starke Kursrückgänge von 30 Prozent oder mehr fallen gemessen in Euro nicht so sehr ins Gewicht und bedeuten für das danach investierte „neue Geld“ besonders billig einzusteigen. Zu niedrigeren Kursen kaufen, bringt höhere Renditen in der Zukunft. Dieses „Gesetz“ gilt nicht mehr später, wenn schon ein größeres Vermögen aufgebaut wurde. „Wer kurz vor der Rente steht und sein Vermögen bald nutzen will, muss sein Risiko konservativer managen“, sagt Kommer.

Um von einem möglichen Crash an den Aktienmärkten nicht voll getroffen zu werden, ist es wichtig, das Vermögen zu verteilen. „Diversifikation im Depot ist die beste Möglichkeit, gegen Krisen gut aufgestellt zu sein“, sagt Nicolas Pilz, Geschäftsführer der Societas Vermögensverwaltung.

Eines sollten Anleger nicht vergessen: „Mein Depot kann ich gegen Krisen wappnen, nicht jedoch gegen Wertschwankungen“, sagt Hermann Ecker. „Gegen Krisen kann ich es wappnen, indem ich langfristig denke, meine Emotionen ausschalte, wenn es mal richtig kracht und dann niedrige Kurse als Gelegenheit zum Kaufen nutze.“ Bei soliden und vernünftig bewerteten Aktien könne man sich langfristig über einen Wertzuwachs freuen.

So gelingt der Einstieg an der Börse – drei Fragen zur Orientierung:

Was will ich wie erreichen? Im ersten Schritt sollten sich Anleger zunächst über ihr Sparziel und ihre persönliche Risikoakzeptanz klar werden, bevor sie sich für eine Anlage entscheiden, rät die Aktion „Finanzwissen für alle“ der im BVI organisierten Fondsgesellschaften. Die Geldanlagen sollten zu den individuellen Zielen passen. Denn die verschiedenen Sparmöglichkeiten unterscheiden sich hinsichtlich Sicherheit, Handelbarkeit und Rendite. Höhere Renditen sind nur realistisch, wenn Sparer zwischenzeitliche Wertschwankungen akzeptieren. Sparer, die dagegen risikoscheuer sind, benötigen wertstabilere Anlagen. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden.

› Wie viel Zeit nehme ich mir? Keine Frage: Je früher man beginnt zu sparen, umso positiver wirkt sich der sogenannte Zinseszinseffekt aus. Dabei werden Erträge angesammelt, die sich immer und immer wieder verzinsen. Neben dem Zeitfaktor ist auch die Höhe der Rendite für den Anlageerfolg entscheidend. Daher kann es für jüngere Sparer sinnvoll sein, in riskantere und damit höher rentierliche Anlagen wie Aktienfonds zu investieren. Zwischenzeitliche Rückschläge an den Märkten können sie besser aussitzen als etwa Rentner, die mit ihren Ersparnissen ihren Lebensabend gestalten wollen.

› Was will ich alles haben? Es ist fast schon banal – aber eine wichtige Grundregel lautet: Lege nicht alle Eier in einen Korb. Vermögen sollte auf mehrere Anlageklassen oder Wertpapiere aufgeteilt sein. Eine Faustformel kann sein: ein Drittel Aktien, ein Drittel Anleihen und ein Drittel Immobilien. Welche Mischung es genau wird, hängt von den persönlichen Zielen, der eigenen Risikobereitschaft und Lebenssituation ab. Text: dpa