Je mehr Unternehmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mobiles Arbeiten ermöglichen, desto attraktiver wird es für sie auch, Ideen für neue Arbeitswelten zu entwickeln.
Wenn nicht mehr alle Beschäftigten täglich ins Büro kommen, weil sie an manchen Tagen von zu Hause aus arbeiten, muss schließlich auch nicht mehr jeder und jede zwangsläufig einen eigenen Schreibtisch haben. Stattdessen können sich mehrere Personen einen Arbeitsplatz teilen, den sie an verschiedenen Tagen nutzen. Das Stichwort: Desksharing.
Planung ist das A und O
Doch wer das erfolgreich umsetzen will, müsse Vielfalt anbieten, so Dennis Stolze. Der Leiter des Teams Cognitive Environments am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart sagt: „Zu Hause nutzen wir auch meist nicht ausschließlich den Schreibtisch, sondern intuitiv alles, was zur Verfügung steht, was zur Aufgabe passt und worauf wir Lust haben.“
Deshalb steht vor der Umsetzung die Planungsphase. In sie sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch der Betriebsrat, falls vorhanden, eingebunden werden. Stolze rät zu einer Arbeitstypen-Analyse. „Dann wird entschieden, wie viel von welchen Arbeitsmöglichkeiten man braucht.“
Als Arbeitgeber gelte es zu verstehen, wo das Unternehmen steht und wie die Zukunftsvisionen aussehen. „Ein solches Projekt muss gut begleitet und evaluiert werden“, sagt Jutta Rump, Professorin am Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) in Ludwigshafen. Sie rät: „Rechnen Sie durch, wie viel Fläche benötigt wird und beachten Sie, dass Sie Team-Tage einplanen müssen, an denen alle vor Ort sind.“
Mit einem Team Umsetzung testen
Stolze und Rump raten, das Konzept als Pilotprojekt in einer Abteilung oder innerhalb eines Teams zu testen. „Probieren Sie es am besten mit einem Team, das hohes Ansehen genießt, etwa für ein halbes Jahr, um daraus zu lernen“, schlägt Rump vor. Dabei sollte deutlich kommuniziert werden, dass das Konzept ausgerollt werden soll und das Pilotprojekt nicht dazu da ist, alles abzublasen. Auch eine Visualisierung der geplanten Umstrukturierung mithilfe von Augmented Reality sei denkbar, sagt Stolze.
Doch wann macht Desksharing überhaupt Sinn? Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens zwei Tage die Woche mobil arbeiten, sagt Rump. Dann entstehen Leerflächen, die für diejenigen, die regelmäßig ins Büro kommen, nicht attraktiv und einladend sind. Zudem sei es unwirtschaftlich, Arbeitsplätze vor Ort weiter bereitzuhalten, so Stolze. „Die größte Stolperfalle liegt jedoch darin, nur Fläche sparen zu wollen und dem ganzen Vorhaben einen New-Work-Anstrich zu verpassen.“
Die Räume, die trotz Einsparungen übrig blieben, müssten ihr zufolge „knallen“. „Da muss der Punk abgehen, sowohl konzeptionell als auch gestalterisch“. Wichtig für eine gelungene Umsetzung sei darüber hinaus, dass auch die Führungskraft sich ihren Schreibtisch teile, erklärt Rump.
Schränke und Spinde einplanen
Aller Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Trotz kann es sein, dass nicht alle mit den neuen Umständen einverstanden sind. Seinen angestammten Platz zu verlieren, erzeuge Ängste und Unbehagen, eventuell auch Ablehnung, sagt Stolze.
„Viele haben sich den Arbeitsplatz eingerichtet mit einer Pflanze und einem Foto, das ist für sie wie eine Heimat, einschließlich der dort herrschenden Unordnung“, so Rump. Doch wer sich den Platz mit anderen teilt, für den gilt: Am Abend ist Aufräumen angesagt. Viele empfänden das am Anfang als Nachteil.
Ein Vorteil dagegen: „Desksharing ist papierlos“, so die Professorin. Wenn es gar nicht anders gehe, könnten Schränke aufgestellt werden, kleine Container oder Spinde für die persönlichen Sachen.
Ohne Buchungssystem wird es schwer
Ist also in Zukunft jeder und jede morgens erst mal auf der Suche nach einem freien Tisch? Auf gar keinen Fall, sagen die Experten. Sie empfehlen ein Buchungssystem, mit dem man am besten nicht zu weit in die Zukunft hinein Plätze belegen kann. „Sonst buchen sich manche monatelang im Voraus ein“, sagt Rump.
Sie rät dazu, Desksharing nicht über das gesamte Haus zu verteilen, sondern Teamflächen oder abteilungsübergreifende Flächen auf einem Stockwerk einzurichten. Ideal sind laut Stolze Buchungssysteme, die soziale Kreise abbilden könnten. „Dann folgt man seinem Team und sieht, wann wer vor Ort ist.“
Ob es einen stört, wenn der Tischnachbar ständig wechselt, ist eine Typfrage. „Es ist ja nicht verboten, einen Lieblingsplatz zu haben“, sagt Stolze. Einig sind sich Stolze und Rump darin, dass der Austausch mit Kollegen und Kolleginnen die Kreativität fördert. Wer partout am eigenen Schreibtisch hängt, wird das mit dem Arbeitgeber aushandeln müssen. Denn es besteht nur das Recht auf einen adäquaten Arbeitsplatz, der nach den geltenden Arbeits-, Daten- und Gesundheitsschutz-Bestimmungen eingerichtet ist, nicht aber das Recht auf einen eigenen Tisch.
Auf Rückzugsmöglichkeiten setzen
Gut umgesetzt sind geteilte Schreibtische Stolze zufolge dann, wenn man nur noch seinen Laptop anschließt und loslegen kann, eine gute Akustik herrscht und ein schneller Wechsel zwischen konzentriertem und kreativem Arbeiten möglich ist. Es sollte verschiedene Besprechungs- und Rückzugsmöglichkeiten geben, je nach Arbeitsfeld auch eine Kreativecke.
Negativ wirkt sich dagegen eine zu hohe Arbeitsplatzdichte aus, also wenn aus der noch vorhandenen Fläche das Maximum rausgeholt wird. Niemand sollte sich durch vorbeilaufende Personen gestört oder permanent beobachtet fühlen.
„Das Problem ist meist nicht der Lärmpegel an sich, sondern wenn ich jedes Wort verstehe, was gesprochen wird“, sagt Stolze. Untersuchungen zufolge ist bei kreativer Arbeit ein Geräuschpegel um die 70 Dezibel sehr förderlich. „Das ist etwa die Lautstärke in einem Café oder Restaurant.“ Text: dpa