Medizinersprache - schwere Sprache: Arztbefunde verstehen

Oje, was habe ich bloß? Den meisten sind medizinische Fachbegriffe ein Rätsel - entsprechend beängstigend erscheinen manche Befunde. Ein Portal will Abhilfe schaffen und übersetzt sie für Laien.

17.09.2021

Physiologische Lordose der HWS, vesikuläres AG, Sono Abdomen o.p.B.: Wer das in seinem Befund vom Arzt liest, dem rutscht das Herz in die Hose. Für Laien scheint die Fachsprache der Medizinerinnen und Mediziner häufig bedrohlich - wer kann schon wissen, dass einem bei den drei genannten Beispielen gar nichts fehlt und man, im Gegenteil, kerngesund ist?

Medizinersprache, schwere Sprache, könnte man sagen. Was steckt denn jetzt hinter einer physiologischen Lordose der HWS? Nichts weiter als die normale Krümmung der Halswirbelsäule. Ein vesikuläres AG ist das normale Atemgeräusch, das beim Abhören der Lunge zu hören ist.

Und Sono Abdomen o.p.B. ist ein Grund zur Freude: Die Ultraschalluntersuchung des Bauches ist ohne pathologischen Befund - kurzum, es gab keine besorgniserregenden Auffälligkeiten.

Medizinische Fachsprache begegnet Patienten im Befund oder Entlassungsbrief des Krankenhauses, auf einem Rezept oder beim Gespräch mit der Ärztin. Das sind viele Gelegenheiten, bei denen man etwas womöglich nicht versteht.

Onlineplattform will aufklären

Beatrice Brülke arbeitet daran mit, dass sich das ändert. Sie ist für die Online-Plattform „Was hab‘ ich“ tätig, auf der Medizinerinnen und Mediziner ehrenamtlich Befunde für Patienten übersetzen.

Nicht für Patienten gedacht

Brülke kennt den Grund für die meist wenig patientenfreundliche Sprache in den Schriftsätzen der Mediziner: „Der Befund oder der Entlassungsbrief sind eigentlich nicht für den Patienten, sondern für den weiterbehandelnden Arzt gedacht. Deshalb finden sich dort so viele Abkürzungen und Fachausdrücke“, erklärt sie.

Weil man aber sonst kaum schriftliche Dokumente beim Arzt bekommt, möchten viele den Befund natürlich gerne lesen - und verstehen. Denn manchmal sei der Patient so aufgeregt, dass er dem Arzt beim Termin nicht richtig folgen könne. Auch wenn der Mediziner auf Fachsprache verzichte beziehungsweise sie erkläre, sagt Ralf Suhr, Arzt und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen.

Fachausdrücke sind für Mediziner unverzichtbar. „Das Vokabular, auf das Mediziner zurückgreifen, ist sehr umfangreich“, sagt Suhr. Das liege an der Vielzahl unterschiedlicher Krankheiten und Diagnosen, die durch Alltagssprache nicht immer präzise zu beschreiben sind.

Medizinische Fachsprache ermöglicht es, komplexe Sachverhalte kurz und knapp darzustellen. So passe der Befund einer Kernspintomographie der Schulter durchaus locker auf eine Seite, sagt Beatrice Brülke.

Mehr Durchblick für medizinische Laien

Die Übersetzung dieses Befundes, die dann zum Beispiel von der Plattform „Was hab‘ ich“ für den Patienten erstellt wird, könne hingegen gut und gerne vier Seiten umfassen. Und das, obwohl weder Interpretationen noch Behandlungsempfehlungen darin zu finden sind.

Stattdessen wird der Befund nicht Wort für Wort übersetzt, sondern es werden Zusammenhänge verdeutlicht - etwa, indem die Funktion und der Aufbau der Schulter sowie die Technik der Kernspintomographie näher erklärt werden. Es geht um voraussetzungsfreies Beschreiben. Dann blicken auch Laien ohne Medizinstudium durch.

Warum Verstehen für den Patienten so wichtig ist

Nun könnte man ja meinen, dass es nicht so schlimm ist, wenn der Patient nicht alles versteht. Hauptsache, die Behandlung hilft. Aber ganz so einfach ist es nicht, denn: „Über den Erfolg einer Behandlung entscheidet auch die Beziehung zwischen Arzt und Patient“, sagt Ralf Suhr von der Stiftung Gesundheitswissen.

Ein Patient, der seinem Arzt vertraut, der die Behandlung versteht und auch die Entscheidung mit getroffen hat, habe bessere Aussichten, wieder gesund zu werden, sagt Suhr.

Patienten rät er, sich Fragen an den Arzt vorab aufzuschreiben, und sich auf jeden Fall auch zu trauen, nachzufragen. „Falsche oder peinliche Fragen gibt es beim Arztbesuch nicht“, betont er. Man könne sich auch eine vertraute Person als Unterstützung mitnehmen.

Die Online-Plattform „Was hab‘ ich“

Rund 48 000 übersetzte Befunde - das ist die Bilanz der Online-Plattform „Was hab‘ ich“ aus den vergangenen zehn Jahren. Jeder und jede kann bei dem Portal Befunde einreichen und bekommt diese in allgemeinverständliche Sprache „übersetzt“. Das kann je nach Befund einige Stunden dauern und ist kostenfrei.

Es geht den Macherinnen und Machern explizit nicht darum, das Arzt-Patienten-Gespräch zu ersetzen, sondern das Vertrauensverhältnis zwischen ihnen soll unterstützt werden. Zweitmeinungen, Diagnosen oder Behandlungsempfehlungen gibt es auf dem Portal nicht. Text/Fozto: DPA