Nicht schlafen zu können, das Problem kennen viele Menschen. Kein Wunder, dass der „Sleepy Girl Mocktail“ in den sozialen Medien zum Trend geworden ist.
In zahlreichen Videos kann man jungen Frauen dabei zusehen, wie sie aus Sauerkirschsaft, Magnesiumpulver und wahlweise Limo oder Mineralwasser einen alkoholfreien Drink zaubern. Dieser soll den Schlaf fördern. Doch was sagt die Wissenschaft dazu? Kann ein Mocktail wirken?
„Das ist in dem Fall nicht so einfach zu beurteilen, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Luisa Hardt vom Uniklinikum in Erlangen. „Man weiß nicht, wie viel und welcher Saft und wie viel Magnesium jeweils konkret verwendet wurden.“ Auf den ersten Blick könnten die Bestandteile jedoch sinnvoll sein, meint sie. Der Körper brauche Magnesium, um aus der Aminosäure Tryptophan das Hormon Melatonin zu bilden, das für den Schlaf-Wach-Rhythmus zuständig sei. Der Sauerkirschsaft enthalte sekundäre Pflanzenstoffe, die den Tryptophan-Abbau im Körper hemmen könnten, sodass mehr dieses Ausgangsstoffs für die Melatoninbildung zur Verfügung stehe.
Der Ernährungsmediziner Hans Hauner von der Technischen Universität München ist trotzdem skeptisch. „Die Datenlage dazu ist sehr dünn.“ Vor allem zweifelt er, dass es sinnvoll ist, Magnesium einzunehmen. „Wir haben mit einer Durchschnittskost eigentlich keinen Magnesiummangel.“
Außerdem könne der Körper Magnesium besser in kleineren Mengen aufnehmen als einmal in einer höheren Dosis, ergänzt Hardt. Nahrungsergänzungsmittel seien oft sehr hoch konzentriert und überschritten die empfohlene Tageshöchstmenge von 250 Milligramm. „Das kann zu Magen-Darm-Beschwerden, vor allem Durchfällen, führen - was die Nachtruhe erheblich stören kann.“
Ähnlich könnte sich der Sauerkirschsaft bei Menschen auswirken, die empfindlich auf Säure reagieren, sagt Hauner. Die sekundären Pflanzenstoffe, die den Schlaf fördern sollen, seien dagegen nur in Mikrogrammmengen enthalten. Zumal der Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen von Sauerkirschsaft zu Sauerkirschsaft sehr stark schwanken kann. Studien zu dessen schlaffördernder Wirkung verwendeten meist Saft der Montmorency-Sauerkirsche, einer speziellen Sorte, die besonders viele sekundäre Pflanzenstoffe und Melatonin enthalte, erläutert sie. Diese werde aber hauptsächlich in den USA und Kanada angebaut. Deshalb sei der Saft im Supermarkt hierzulande eher nicht erhältlich.
Jeder Mensch schläft mal schlecht. Aber sechs bis zehn Prozent der Menschen in Deutschland litten an einer behandlungsbedürftigen Schlafstörung, sagt Hans-Günter Weeẞ, Leiter des Schlafzentrums des Pfalzklinikums in Klingenmünster. „Das sind mindestens fünf Millionen Menschen. Deshalb kann man von einer Volkskrankheit sprechen.“
Oft haben die Betroffenen schon viele Jahre lang Probleme ein- und durchzuschlafen - und sind entsprechend verzweifelt. Sie seien · oft sehr empfänglich für pseudo-medizinische Angebote und teure Lifestyle-Produkte, sagt Weeẞ. „Damit I wird man eine veritable Schlafstörung aber nicht behandeln können.“ dpa