Über Pflege reden

Pflegebedürftigkeit ist immer ein starker Einschnitt ins Leben. Gut, wenn man vorher schon ausführlich über dieses Szenario gesprochen hat. FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA-TMN

Von einem Moment auf den anderen kann ein Mensch pflegebedürftig werden. Wenige sind darauf vorbereitet

26.10.2024

Ein Schlaganfall, ein Herzinfarkt oder ein Sturz: In so einer Situation ist Gold wert, wenn man sich als Familie schon einmal mit einer möglichen Pflegebedürftigkeit auseinandergesetzt hat. Auch wenn das schwerfällt - und man den Gedanken daran am liebsten ganz weit wegschieben möchte. Zwei Expertinnen verraten, wie solche Gespräche gut gelingen können.

Der Eintritt ins Rentenalter ist ein guter Zeitpunkt

Wann geht man das Thema Pflegebedürftigkeit am besten an? „Je früher, desto besser“, sagt Susette Schumannvon der Deutschen Fachgesellschaft für aktivierend-therapeutische Pflege. „Viele meinen: „Pflegebedürftigkeit wird mich nie treffen, also muss ich mich nicht kümmern!“ Leider passiere es aber doch, meist recht plötzlich. Sie schlägt als guten Zeitpunkt den Eintritt ins Rentenalter vor.

Sich mit über das Thema Pflegebedürftigkeit zu unterhalten, ist erst einmal eine große Hürde. „Pflegebedürftigkeit wird schnell ein Tabuthema, weil wir alle Ängste vor Siechtum und Gebrechlichkeit haben“, sagt Eva-Marie Kessler, Gerontopsychologin.

In der Regel bleibt es nie bei einem Gespräch. Am besten setzen sich alle zusammen. Es könne nicht sein, dass derjenige, der am selben Ort wie die Eltern wohnt, automatisch allein zuständig sei.

Ein offener Austausch ohne Tabus

Es geht um ehrliche Fragen und Antworten: Was will die Person oder die Personen, um die es hier geht? Was können die Kinder leisten und was nicht?

Hier darf alles zur Sprache kommen: äußere Umstände, Berührungsängste und Befürchtungen. „Eltern bekommen dadurch eine Vorstellung davon, wozu ihre Kinder bereit sind und was auf keinen Fall geht“, sagt Schumann.

So ein Gespräch stößt bei Älteren etwas an. „Eltern wollen meist ihren Kindern nicht zur Last fallen. Redet man frühzeitig miteinander, bekommen sie vielleicht eine andere Sicht auf die Dinge und haben die Zeit, sich um vieles selbst zu kümmern und selbst zu entscheiden“, sagt Schumann. Zum Beispiel, endlich eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht aufzusetzen. „Kinder sollten wissen, dass es immer der alte Mensch selbst ist, der entscheidet“, sagt die Gerontopsychologin Eva-Marie Kessler. „Sie können nur unterstützen, dass die Eltern gute Lösungen finden.“ Trotzdem ist es wichtig, dass die Kinder ihre Sichtweisen einbringen Kinder sollten außerdem ehrlich mit sich selbst sein, wenn sie die eigenen Ressourcen ausloten.

Was Pflege wirklich bedeutet

Was ist mit Versprechen wie „Papa, du musst niemals ins Heim!“ oder „Mama, ich werde dich zu Hause pflegen!“ Susette Schumann rät davon ab. „Keiner kann eigentlich so ein Versprechen halten“, sagt sie. So wüssten viele Angehörige nicht, was Pflege wirklich heiße. Wenn bestimmte Krankheitsbilder dazukämen oder sich eine Pflegesituation über viele Jahre hinziehe, könnten Angehörige das oft nicht leisten.

Hilfe holen ist okay

Ein Austausch mit Menschen, die sich mit Pflege auskennen, hilft ebenfalls. Das können pflegende Angehörige sein, oder auch Mitarbeiter von Pflegestützpunkten. So macht sich jeder bewusst, dass Pflege eines Tages infrage kommen könnte - ob durch ambulante Dienste zu Hause oder durch eine Unterbringung in einem Heim. Akutsituationen lassen sich dadurch schon ein Stück vorbereiten.