Angst vor ChatGPT?

Sebastian Krieter, Martin Henning und Schulleiter Thorsten Schröer (v. l.) vom Christophorus-Gymnasium zeigen die Startseite des ,,Schummel-Programms" ChatGPT. FOTO HECKENKAMP

Künstliche Intelligenz als Schummel-Programm: Unterstützung bei Hausaufgaben und Facharbeiten

28.04.2023

Der gute, alte Spickzettel hat ausgedient. Wenn Schüler heutzutage schummeln wollen, machen sie das digital per Tablet oder Smartphone. Seit Kurzem ist nun etwas ganz Neues auf dem Markt: eine künstliche Intelligenz (KI), die einfach und kostenlos Hausaufgaben oder ganze Facharbeiten erledigt. Das ist eine Herausforderung, von der die Schulen Kenntnis nehmen müssen.

Das Gymnasium St. Christophorus (GSC) in Werne tut das. Es gibt bereits Kollegen, die damit Hausaufgaben machen lassen, um zu testen, ob das damit korrekt machbar ist", sagt Sebastian Krieter. Er ist Medienkoordinator am GSC. Mit dem „damit meint er ein Programm, das in den vergangenen Wochen gerade unter Schülern und Studenten für Furore gesorgt hat: Chat GPT.

Damit lassen sich blitzschnell Hausaufgaben oder sogar komplexe Arbeiten erledigen. Und das Beste: Das Programm ist kostenlos. Noch jedenfalls.

Schulleiter Thorsten Schröer will das Programm, das geradezu zum Schummeln einlädt, nicht verteufeln. „Das wäre der falsche Weg. Wir wollen es transparent machen, wollen es integrieren, aber auch auf Probleme hinweisen."

Ein Kardinal-Problem: Wenn die Schüler ihre Aufgaben und Aufsätze nur noch durch ein Computer-Programm schreiben lassen, fehlt ihnen die kritische Auseinandersetzung mit Texten oder Aufgabenstellungen. Die Komplexität des Lernens gehe verloren. Lehrer Martin Henning hat ChatGPT bereits im Unterricht thematisiert. In einer achten Klasse habe er gefragt, wer es kenne. „Ein Drittel kannte es, drei haben es ausprobiert, einer hat mal eine Hausaufgabe damit gemacht." Wohlgemerkt, wir sprechen von Schülerinnen und Schülern im Alter von 13 oder 14 Jahren. Henning vermutet, dass das derzeit freie Angebot in einiger Zeit mit Kosten verbunden sein dürfte.

Ähnlich sieht die Situation auf der anderen Straßenseite aus. Das Anne-Frank-Gymnasium, immerhin offiziell Digitale Schule", befasst sich ebenfalls mit dem neuen Trend.

„Ich habe ChatGPT jüngst in meinem Projektkurs getestet", sagt Maik Bäumer, Informatiklehrer und Digitalkoordinator des AFG: „Die Ergebnisse waren ganz spannend." Bäumer ließ von der KI eine Erörterung zum Thema Europäische Zentralbank und Leitzins-Erhöhung schreiben. „Das Ergebnis haben wir dann intensiv diskutiert". Resultat der Debatte: „Wir fanden das Chat-Ergebnis sehr formelhaft. Es war schnell zu erkennen, dass es maschinell geschrieben war", sagt Bäumer.

Doch er macht sich keine Illusionen: „In zwei Jahren wird die KI so weiterentwickelt sein, dass es nicht mehr erkennbar ist, dass eine Maschine den Text verfasst hat."

Das AFG zieht daraus die ähnliche Konsequenz wie das GSC: ,,Wir verbieten es nicht, wir setzen uns damit auseinander."

So wäre bei einer Diskussion mit Schülern über das neue Programm schnell die Frage aufgekommen: „Warum soll ich Texte dann noch selbst überhaupt schreiben?"

Die Schüler hätten dann aber selbst gemerkt, sagt Bäumer, dass sie dann Defizite bei wichtigen Lernprozessen einfahren würden. Etwa bei Analyse, Textaufbau oder kritischer Würdigung. Statt Chat GPT als Schummel-Programm zu verdammen, sagt Maik Bäumer: ,,Ich bin froh, dass es das gibt. Das lässt uns die Form der Lehre hinterfragen und gibt dem Unterricht ganz neuen Drive." 

Wo kann das alles hinführen? Stellen Sie sich eine Verknüpfung von Alexa und ChatGPT vor", sagt der Informatik-Experte Bäumer, „dann können Sie sich in nicht allzu ferner Zukunft ganz normal mit einem Computer unterhalten."

Von Jörg Heckenkamp