Ob an Windkraftanlagen oder Kirchtürmen - auch hoch oben fallen Wartungs- und Reinigungsarbeiten oder Reparaturen an. Und dann ein Gerüst aufbauen und arbeiten? Manchmal entweder nicht machbar oder einfach zu teuer.
In solchen Fällen sind Industriekletterer wie Quan Nguyen gefragt. Er ist bei der Firma Höhenpass im rheinland-pfälzischen Bendorf tätig und erzählt im Job-Protokoll, warum er sich für den Job entschieden hat - und welche Rolle Risiko in seinem Berufsalltag spielt.
Wie ich zu meinem Job kam:
Erst habe ich eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker gemacht, später in diesem Beruf den Meister. Weil mir das nicht genug war, habe ich danach Wirtschaftsingenieurwissenschaften studiert. Und wie das so ist als Student: Aus finanziellen Gründen brauchte ich einen Nebenjob. So kam ich mit der Industriekletterer-Tätigkeit in Berührung.
Das Klettern an sich war mir schon damals bestens vertraut, aber Industrieklettern ist schon völlig anders als Sportklettern. Ich absolvierte im Industrieklettern eine Weiterbildung und fing schließlich neben der Uni an, in dem Job zu arbeiten. Später, als ich mit dem Studium fertig war, stand für mich fest: Ich möchte hauptberuflich als Industriekletterer arbeiten und so mein Geld verdienen. Das Handwerkliche in luftiger Höhe hat mich einfach überzeugt.
Übrigens wichtig zu wissen: Für den Industriekletterer-Beruf gibt es generell keine klassische eigenständige duale Ausbildung. Er baut vielmehr auf eine andere handwerkliche Ausbildung auf.
Was ich in meinem Job jeden Tag mache:
Als ich noch in der Werkstatt als Kfz-Mechatroniker gearbeitet habe, wusste ich immer ganz genau, was so im Laufe eines Tages auf mich zukommt. Als Industriekletterer weiß ich das nicht. Jeder Tag bringt etwas Neues. Es ist nicht nur die eine Tätigkeit, die ich ausführe. Ich habe viele unterschiedliche Tätigkeiten, in die ich mich oft erst hineinarbeiten muss.
Ich nenne mal zwei Beispiele: Bei einer Windkraftanlage ist die Leiter defekt und muss repariert werden. Bevor ich mich nach oben begebe, lese ich erst einmal in Ruhe die Bedienungsanleitung der Anlage und denke mich in die Materie hinein. Hoch oben möchte ich schließlich bei der Reparatur keinen Fehler machen.
Oder: Im Fußballstadion müssen die Lampen an der Decke der Arena ausgetauscht werden. Hier bin ich in engem Austausch mit einem Elektriker, der mich zunächst theoretisch einweist. Später, wenn der Austausch erfolgt, bin ich quasi der verlängerte Arm des Elektrikers: Er steht unten und gibt mir per Funk Anweisungen, die ich dann oben ausführe.
So beeinflusst das Wetter meine Tätigkeit:
Der Einfluss ist groß. Gefühlt gibt es im Jahr einen einzigen Tag, an dem das Wetter für Arbeiten in der Höhe im Freien absolut perfekt ist. Bei Nieselregen findet ein Einsatz noch statt, bei extremen Wetterlagen wie etwa starkem Wind muss er verschoben werden. Es gibt auch Arbeiten in der Höhe in Innenräumen, zum Beispiel in Kirchen. Sie erfolgen oft im Winter. Im Sommer stehen dann Reparaturen, Wartungen und Ähnliches im Freien an.
Warum ich mich jeden Tag auf die Arbeit freue:
Weil es so abwechslungsreich ist! Der Kunde kommt, schildert ein Problem. Wir setzen uns hin und machen uns Gedanken, wie die Lösung aussehen könnte. Das ist manchmal eine echte Herausforderung. Aber ich mag das. So erweitere ich immer wieder meinen Horizont.
Durch mein Hobby, das Sportklettern, bin ich eigentlich zu meinem Beruf gekommen. Ich finde es klasse, dass ich in meinem Job Sportliches wie seil gestützt hinauf und hinabzuklettern mit Handwerklichem wie einer Wartung oder dem Reparieren verbinden kann.
Wie meine Umgebung auf meinen Beruf reagiert:
Manche vermuten, wenn sie von meinem Job hören, dass er saugefährlich sei. Ist er aber nicht. Ja, er findet zwar in der Höhe statt. Aber er ist einer der sichersten Jobs überhaupt. Denn jeder Einzelne im Team hat das Bewusstsein für Sicherheit, nimmt sich die Zeit und macht sich Gedanken mit Blick auf Sicherheit. Insofern sind wir Industriekletterer in Sachen Sicherheit von vornherein sensibilisiert.
Hinzu kommt: Wir sind immer zu zweit unterwegs, der eine erinnert den anderen an Sicherheit und passt auf ihn auf. Und umgekehrt natürlich.
Wie ich mental mit dem Absturzrisiko umgehe:
Das Risiko eines Absturzes ist da, aber es ist vergleichsweise relativ gering. Denn wie erwähnt, Sicherheit und das gegenseitige Auf-sich-Aufpassen haben für uns Industriekletterer eine hohe Priorität. Wir sind sehr konzentriert bei der Sache und machen in der Höhe keine Scherze oder dergleichen. Angst bei der Arbeit wäre ein schlechter Begleiter. dpa