Ländliche Idylle und entspannte Patientengespräche oder doch eher stressige Hausbesuche und überlaufene Praxen? Der Beruf des Landarztes wird in Fernsehserien romantisiert, unter Medizinern scheint er jedoch nicht sonderlich beliebt zu sein. Ulrike Koock hat sich dennoch dafür entschieden und arbeitet nun in einer Landarztpraxis in einer hessischen Gemeinde.Die 40-Jährige arbeitet in Teilzeit und absolviert noch ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin. Von ihren Aufgaben, Beratungsgesprächen an der Supermarktkasse und den Highlights im Arbeitsalltag erzählt sie im Job-Protokoll.
Der Weg in den Job
Mit 28 Jahren habe ich mein Staatsexamen gemacht, bin danach zuerst in die Pathologie gegangen und dann in die Forschung. Erst mit 33 Jahren habe ich die Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin begonnen – und das gefällt mir bisher am besten.
Seit vier Jahren bin ich jetzt in der Landarzt-Praxis, in zwei Jahren mache ich dann den Facharzt. Ich habe immer in Teilzeit gearbeitet, weil ich zwei Kinder habe. Auf eine Vollzeitstelle umgerechnet wäre ich jetzt im fünften Ausbildungsjahr.
Aufs Land hat es mich eher privat verschlagen. Aber der Reiz als Hausärztin zu arbeiten, liegt darin, als „Rundum-Medizinerin“ tätig sein zu können. Viele arbeiten erst in verschiedenen Spezialbereichen, bevor sie in der Allgemeinmedizin landen. Auch mir hat davor immer etwas gefehlt. Jetzt bin ich glücklich über das breite Spektrum an Patienten und an Medizin.
Leider hat der Beruf des Landarztes einen verstaubten Ruf. Manche denken, dass wir keine richtige Medizin machen, sondern nur ein bisschen Händchen tätscheln und höchstens mal ein Antibiotikum verschreiben. Für viele kommt der Job auch nicht infrage, weil die Infrastruktur auf dem Land nicht attraktiv ist, es keinen Kindergarten oder keinen Job für den Partner gibt. Die Praxis öffnet um 8 Uhr morgens, bis 12 Uhr ist Sprechstunde. Danach arbeitet man ab, was man bis dahin nicht geschafft hat. An drei Tagen die Woche öffnen wir auch am Nachmittag zwischen 14 und 18 Uhr noch mal. Die Praxis ist immer voll, aber für mich als Angestellte sind die Arbeitszeiten angenehm. Und auch die Praxisinhaber arbeiten zwar viel, haben aber keine Wochenend- und Nachtdienste.
Zurzeit impfen wir zum Beispiel. Und auch sonst kommen oft im Minutentakt neue Patienten, weil wir für viele der erste Ansprechpartner sind. Da ist alles dabei: Von der einfachen Krankmeldung, weil jemand Magen-Darm-Grippe hat, bis hin zu Herzproblemen und durchbrochenen Blinddärmen – es sind also auch Notfälle dabei. Wir haben regelmäßig schwere Krankheitsbilder, weil die Patienten erst zu uns kommen und nicht in die nächste Notaufnahme fahren.
Hausbesuche gehören auch dazu – die machen wir wöchentlich zu festen Terminen. Und in Notfällen fahren wir natürlich auch los.
Man kennt sich auf dem Land, deshalb werde ich schon mal angesprochen oder angerufen. Meine Freizeit beeinflusst das aber kaum. Dennoch muss ich mich zum Teil davon abgrenzen, denn eine Diagnose an der Supermarktkasse oder anhand eines Fotos zu erstellen, finde ich unprofessionell. Ich bitte die Leute dann, am nächsten Tag in die Praxis zu kommen.
Die guten Seiten im Job
Als Generalistin kann ich mich nicht auf ein Fachgebiet festlegen. Als Hausärztin – vor allem auf dem Land – bin ich gezwungen, sehr viel selbst zu machen. Und genau das ist es, was mir gefällt: Ich muss meine Patienten umfassend betreuen. Ich mag den intensiven Kontakt zu den Patienten. Teilweise lerne ich ganze Familien kennen, weil Eltern und Kinder zu uns kommen. Für mich ist es im Großen und Ganzen der schönste Beruf der Welt – auch der Arztberuf schlechthin. Erst neulich habe ich zum Beispiel von einer Patientin ein selbst gemaltes Ölbild geschenkt bekommen, weil sie sich bedanken wollte. Ich habe ihr nicht das Leben gerettet. Es war einfach nur eine ganz normale ärztliche Tätigkeit. So viel Dankbarkeit bekommt man in kaum einem anderen Beruf.
Genau dieser enge Kontakt zu den Patienten kann auch belastend sein, weil man manchmal Themen mit nach Hause nimmt und nicht abschalten kann. Und: Manche stellen sich den Beruf kitschig romantisch vor. Als könne man in aller Ruhe seine vier, fünf Patienten abarbeiten und dann noch ein Käffchen mit jemandem trinken. Aber so ist es nicht. Ich habe auch schon in der Notaufnahme gearbeitet, aber die Schlagzahl, die wir in der Praxis haben, hat mich wirklich erst mal schockiert. Man muss sich minütlich auf neue Situationen und Patienten einstellen. Das ist anstrengend und braucht viel Konzentration und Übung. Wie viel ein Landarzt verdient, hängt davon ab, ob er selbstständig oder als Angestellter arbeitet. Bei selbstständigen Hausärzten variiert das Einkommen. Auf dem Land verdienen sie häufig sogar mehr als die Kollegen in der Stadt – haben aber auch durchschnittlich mehr Patienten und dadurch eine höhere Arbeitsbelastung, sagt Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung. Im Laufe der Zeit kann ein selbstständiger Landarzt auf ein Gehalt von etwa 17.000 Euro pro Monat kommen.
Als angestellter Facharzt für Allgemeinmedizin orientiert sich das Gehalt in der Regel am Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern. Das Einstiegsgehalt liegt derzeit bei etwa 6.200 Euro. dpa