„Hörgeräte sind doch nur was für alte Menschen“ - das bekommt Claudia Brömel im Zusammenhang mit ihrem Beruf häufiger zu hören. Dabei ist sie als ausgebildete Pädakustikerin auf das Gehör von Kindern und Säuglingen spezialisiert. Im Job-Protokoll erzählt sie, was die Arbeit so herausfordernd macht und worin sie Erfüllung findet.Der Weg in den Beruf:In meiner kleinen Heimatstadt in Thüringen hatte ich eine tolle Berufsberaterin. Als es um die Berufswahl ging, hat sie mir empfohlen, Hörakustikerin zu werden. Ich war schon als Kind handwerklich interessiert und als Brillenträgerin zudem begeistert von Hilfsmitteln. Nach einem Praktikum bei einem Hörakustiker-Betrieb bin ich ihrer Empfehlung gefolgt.Während der dreijährigen Ausbildung zur Hörakustikerin führte mich der Berufsschulunterricht dann nach Lübeck. Dort verliebte ich mich nicht nur in den Beruf, sondern auch in die Stadt. Nach Abschluss meiner Ausbildung zog ich nach Lübeck und fing dort als Gesellin in einem kleinen Betrieb an. Der Betrieb war schon immer auf die Versorgung von Kindern spezialisiert, weil die Uniklinik in der Nähe ist. Das fand ich von Anfang an sehr spannend.Darum habe ich mich an der Akademie für Hörakustik in Lübeck zur Pädakustikerin fortgebildet. Später habe ich die Meisterschule besucht und schließlich vor sechs Jahren gemeinsam mit meiner Kollegin den Betrieb unseres ehemaligen Chefs übernommen. Jetzt bin ich Unternehmerin. Wir haben sechs Mitarbeiter und haben uns auf Sonderversorgungen wie Kinder, Tinnitus und Implantate spezialisiert.
ein Beruf einfach erklärt:
Tatsächlich hat meine Berufsberaterin damals gesagt: „Hörakustiker, das ist ein bisschen wie Optiker - nur für die Ohren.“ Das ist vielleicht insgesamt ein bisschen banal ausgedrückt, denn an sich ist das Ohr ein sehr komplexes Organ. Als Pädakustikerin qualifiziert man sich speziell für die Arbeit mit Kindern weiter. Drei Jahre Berufserfahrung als Hörakustikerin oder der Meisterbrief sind die Voraussetzung, um sich auf das Fachgebiet und die Versorgung von Kindern spezialisieren zu können.
Die Aufgaben:
Auch als Unternehmerin macht die Pädakustik noch einen großen Teil meiner Arbeit aus. Da wir den Betrieb zu zweit leiten, können wir uns das gut aufteilen. Inzwischen bin ich außerdem als Gastdozentin an der Akademie für Hörakustik in Lübeck tätig und unterrichte dort Praxis.
Die Aufgaben in meinem Arbeitsalltag unterscheiden sich auch je nachdem, wie alt das Kind ist, das versorgt werden muss. Geht es um einen Säugling, steht an erster Stelle der Vertrauensaufbau zu den Eltern.
Es gibt seit 2009 bundesweit das universelle Neugeborenen-Hörscreening. Somit werden Hörverluste schon im Säuglingsalter erkannt.
Die Kinder sollten dann schnellstmöglich mit Hörsystemen versorgt werden. Dafür kommen sie zu uns. Wir nehmen Ohr-Abformungen, wählen Hörsysteme aus und stellen sie individuelle auf den Hörverlust ein. Da Kinder ständig wachsen, ändert sich die Anatomie des Ohres und sollte in regelmäßigen Abständen überprüft und neu angepasst werden.
Mit einem Säugling führt man eine sogenannte Visual Reinforcement Audiometry, also eine visuelle Belohnungsaudiometrie, durch. Dafür haben wir einen Teddy in einer Box, den ich mit einer Fernbedienung an- und ausschalte. Hierbei geht es um Konditionierung: Das Kind hört ein Signal aus einem Lautsprecher, gleichzeitig schalte ich die Box an und das Kind bekommt eine visuelle Belohnung - der Teddy leuchtet und bewegt sich.
Wenn man das einmal konditioniert und trainiert hat, kann man den Signalton immer leiser machen. Im Grunde ermitteln wir so, bis zu welchem Bereich das Kind tatsächlich hört. Ich prüfe das ohne Hörgeräte und mit und ermittle damit die Verbesserung. Das klingt sehr einfach und sehr spielerisch, aber es ist sehr wichtig und gleichzeitig sehr aufwendig, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen. Und dann kommen die Kinder regelmäßig. Eine Kinder-Versorgung ist ja nie abgeschlossen. Etwa alle drei Monate wird am Anfang geprüft, wie sich das Kind entwickelt und ob das Ohrpassstück noch richtig sitzt. Es ist schön, die Kinder aufwachsen zu sehen und zu wissen, dass man einen Teil dazu beigetragen hat, dass sie sich positiv entwickeln.
Die schönsten Seiten:
Das Schönste in meinem Beruf ist immer wieder der Moment, wenn man das Hörgerät eines Säuglings zum ersten Mal einschaltet. Das ist ein sehr emotionaler Moment, wenn ein Kind zum ersten Mal auf die Stimme der Mutter reagiert. Da fließen oft auch Freudentränen bei den Eltern. Auch bei den älteren Kindern, die schon kommunizieren können und sofort sagen, „Oh, das ist toll, ich kann dich ja jetzt besser hören“, ist das ein total schönes Gefühl. Diese Dankbarkeit von Eltern und Kindern gehört mit zu den schönsten Seiten.
Die größten Herausforderungen:
Die Hörbahnreifung eines Kindes ist ungefähr nach 18 Monaten abgeschlossen. Diese Phase ist sehr wichtig für den Spracherwerb. Führt man die Hörgeräte-Versorgung frühzeitig durch, hat das Kind hier die besten Voraussetzungen. Und genau da liegt auch die Herausforderung: In dieser Zeit die Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und richtig darauf zu reagieren - mit dem Ziel, Säugling oder Kind bestmöglich zu versorgen.
Die Digitalisierung kann bereits einige handwerkliche Tätigkeiten in unserer Branche ersetzen. Die Kommunikation mit dem Menschen, Vertrauen zu einem Kind aufzubauen, um eine erfolgreiche Hörsystemversorgung durchführen zu können, das sind und bleiben aber die wichtigsten Fähigkeiten in unserem Beruf - und das ist natürlich herausfordernd. dpa