Mehr Spannung bitte

Für ein lebendiges Online-Meeting sollte man nicht nur selbst proben, sondern auch für das Publikum mitplanen. FOTO DPA

Haben Sie auch das Gefühl, im Online-Meeting hört Ihnen niemand richtig zu? Virtuell zu überzeugen, ist große Kunst. Eine Expertin verrät die Tricks, mit denen Sie ihr Publikum bei Laune halten.

12.02.2022

In leere Gesichter auf kleinen Bildschirmkacheln zu blicken, sind wir mittlerweile gewohnt. So traurig es klingt: Zähe Online-Meetings gehören seit der Corona-Pandemie fast für jeder und jede Berufstätige zum Job-Alltag. Das muss doch besser gehen, oder?Nora Grasselli, Programmdirektorin und Expertin für Führungskräftetraining an der privaten Hochschule ESMT in Berlin, erzählt im Interview, warum es so schwer ist, vor der Kamera zu überzeugen und was wir uns alle für mehr Spannung und Interaktion in der hybriden Arbeitswelt zu Herzen nehmen können.

Frau Grasselli, warum ist es in virtuellen Meetings noch viel schwerer, überzeugend aufzutreten?

Nora Grasselli: In einem virtuellen Meeting stehen uns einige Kommunikationskanäle gar nicht zur Verfügung. Augenkontakt zum Beispiel. Tatsächlich kommunizieren wir sehr viel über unsere Augen, wir drücken Zustimmung oder Ablehnung aus, können jemanden dazu auffordern, zu sprechen oder zu schweigen. Im virtuellen Raum müssen wir das auffangen, indem wir direkt in die Kamera schauen. Das fällt den meisten von uns gar nicht leicht.

Auch unsere Stimme und die Bandbreite unserer Tonalität sind nur eingeschränkt verfügbar. Das Datenpaket wird über die Technik nicht komplett übertragen: Oft klingen wir ganz blechern.

Und der Raum steht uns nicht zur Verfügung. Wir können Kolleginnen oder Kollegen nicht mal schnell auf die Schulter tippen, jemanden mit dem Ellbogen anstupsen oder aufstehen, und zum Flipchart gehen. Noch dazu nehmen wir im virtuellen Raum kein Feedback wahr. Wir hören nicht, wie sich Kolleginnen und Kollegen etwas zuf lüstern oder sehen nicht, wie sich Personen nach vorne lehnen, weil sie aufmerksam zuhören.

Die Grundvoraussetzungen sind also schwierig. Wie kann man das ausgleichen?

Grasselli: Vorbereitung ist der Schlüssel zum Erfolg. Dazu gehört zum Beispiel, dass man wichtige Auftritte vor der Kamera übt und sich dafür auch selbst aufzeichnet. Selbst wenn die Aufzeichnung für eine oder zwei Minuten dauert, und man sich selbst absolut fürchterlich findet, erfährt man viel über die eigene Wirkung.

Wichtig ist: Ich muss nicht für mich planen, sondern auch für das Publikum. Was machen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer während des Meetings? Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist kurz und wird immer kürzer. Für ein paar Minuten etwas zu präsentieren oder zu erklären, ist okay. Danach aber muss ich das Publikum aktivieren. Ein längeres Meeting sollte daher immer in etwa diesem Muster folgen: Input, Aktivität, Input, Aktivität.

Der Auftritt wird auch nur dann richtig überzeugend, wenn der Sprecher oder die Sprecherin Tools und Technik beherrschen. Ein „Co-Pilot“ kann dabei helfen, den Zeitplan einzuhalten und den gesamten Prozess zu unterstützen.

Wie genau kann man für das Publikum mitplanen?

Grasselli: Man kann das Publikum auf verschiedenen Ebenen ansprechen, das sollte man nutzen. Auf individueller Ebene zum Beispiel kann man Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu auffordern, ein Stück Papier zur Hand zu nehmen, sich eine Minute Zeit zu nehmen und Ideen zu einem bestimmten Thema oder einer Frage aufzuschreiben.

Will man eher eine Gruppe aktivieren, geht das im Online-Meeting zum Beispiel über sogenannte Breakout-Sessions, bei denen sich die Teilnehmer in kleinere Gruppen aufteilen. Das nimmt oft die Scheu, untereinander Fragen zu stellen.

Eine andere Möglichkeit ist es, sich jeweils zwei Personen zu Paaren zusammenfinden zu lassen und sie zu einem „Walk-and-Talk“ nach draußen zu schicken. Sie laufen durch die Gegend, und unterhalten sich per Handy. Dann bringen sie ihre Ideen mit ins Meeting.

Muss man ein tägliches Stand-up anders angehen als eine Kick-off-Präsentation oder eine Vorlesung?

Grasselli: Auch bei regelmäßigen Meetings hilft es, einen festgelegten Ablauf zu haben. So erfordert das Meeting regelmäßig weniger Aufwand von allen Beteiligten. Das „Daily“ oder „Stand-up“ sollte also eine Agenda haben.

Am besten führt man eine Routine ein. Das kann etwas Lustiges sein. So kann man zum Beispiel immer mit einer Stimmungsabfrage im Team starten: Alle sind gebeten einen roten, gelben oder grünen Gegenstand in die Kamera zu halten, je nachdem, ob sie schlecht, mittelmäßig oder gut gelaunt sind. Wenn dann alle anfangen, immer absurdere Gegenstände in die Kamera zu halten, kann das Team schon mit einem Lacher ins Meeting starten.

Wer im „Daily“ zu Wort kommt, sollte sich zum Beispiel auf eine Minute Redezeit oder auf eine Präsentationsfolie beschränken, damit der Termin nicht ausufert. So bekommt man eine aktive Routine, die sich zwar nach Routine anfühlt, aber gleichzeitig Spaß macht. Natürlich wird man das im Laufe der Zeit und in regelmäßigen Abständen immer wieder anpassen müssen.

Wie sorgt man dafür, dass im Meeting nicht alle sofort geistig abschalten?

Grasselli: Eine Agenda ist auch hierfür extrem hilfreich. Und jeder Agendapunkt sollte einen Timecode haben, so dass alle Beteiligten wissen: An welchem Punkt stehen wir und wo sollten wir sein?

Daneben gilt es zu überlegen: Muss immer alles ein Video-Meeting sein? Meine Empfehlung lautet inzwischen: Prüfen Sie, ob nicht auch der Tonkanal ausreicht. Wenn man nur spricht, ohne sich über das Videobild zu sehen, hilft uns das, ein wenig zu entspannen. Wir müssen uns keine Gedanken darüber machen, ob wir jetzt in gut aussehen oder nicht. Die Informationen, die wir zu verarbeiten haben, werden weniger komplex. Und es hält alle auf Trab, weil wir uns stärker auf das Gehörte konzentrieren müssen.

Außerdem erinnern sich Menschen natürlich besser an Geschichten als an Daten. Gut ist also, etwas Dramaturgie in ein Meeting zu bringen. Man kann zum Beispiel versuchen, in den Kategorien „Gut“ und „Böse“ zu denken.

In Online-Meetings scheint es nahezu unvermeidbar, dass die Teilnehmenden gleichzeitig andere Dinge machen: chatten, E-Mails beantworten. Muss man da eingreifen?

Grasselli: Dieses Phänomen nennt sich „continuous partial attention“ (deutsch etwa: kontinuierliche Teilaufmerksamkeit). Als Team kann man Regeln festlegen, um zu viel Nebengeschehen zu verhindern. Etwa, indem man sagt: Wir hören in Meetings aufmerksam zu. Führungskräfte müssen da als Vorbild vorangehen. Wer selbst nebenher E-Mails beantwortet, wird dafür sorgen, dass andere das Verhalten nachahmen.

Dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer während des Meetings miteinander chatten, finde ich dagegen gar nicht so schlimm. Auf eine gewisse Art ersetzt das den Augenkontakt, den man in einem Meeting vor Ort hätte.

Und natürlich passiert weniger nebenher, wenn man die Teilnehmenden beschäftigt hält. Insbesondere bei längeren Meetings sollte man außerdem Pausen einplanen, und die schon auf der Agenda notieren. Dann wissen alle, wann sie kurz Zeit haben, eine wichtige Mail zu beantworten.

Es ist auch okay, Personen daran zu erinnern, dass sie gerade in einem Meeting sind. Man kann direkt fragen: „Hörst du zu? Oder musst du etwas anderes machen?“ Dazu gehört, dass man grundsätzlich nur Menschen mit ins Meeting holt, die auch wirklich anwesend sein müssen. dpa