Wer kennt es nicht? Schon nach kurzer Zeit im neuen Team hat man das Gefühl, sich allein wirklich um das Projekt zu kümmern. Oder aber die Kolleginnen und Kollegen sind total pingelig und man kommt kaum dazu, seine Stärken einzubringen - weil die anderen einen einfach überfahren.Nach Ende des Projekts ist man überzeugt: Nie wieder Teamwork, das bringt nur Frust! Dabei sind im Hintergrund oft psychologische Prozesse und soziale Dynamiken am Werk, die man mit ein bisschen Wissen steuern kann. Experten erklären, auf welche Effekte man achten muss - und wie sie sich lösen lassen.
Trittbrettfahrer- und Sucker-Effekt
Das Problem: Der Trittbrettfahrer-Effekt oder auch soziales Faulenzen genannt, beschreibt ein Phänomen, bei dem sich einzelne Gruppenmitglieder vermeintlich zurücklehnen und auf den Leistungen der anderen ausruhen. Im Gegenzug erleben die übrigen Teammitglieder den sogenannten Sucker-Effekt (engl. „Trottel-Effekt“), wobei sie aus Trotz ihre Leistung reduzieren, weil sie den Eindruck haben, von den anderen ausgenutzt zu werden.
Am Ende bleiben Aufgaben oft liegen, oder werden unzureichend gelöst. Da sind Konflikte natürlich vorprogrammiert. „Wenn ein Teammitglied sich zurückzieht, kann das viele Gründe haben, mutwillige Bequemlichkeit steckt aber meistens nicht dahinter“, sagt der Leadership-Coach und Organisationsentwickler Matthias Wagner.
Stattdessen hänge es oft damit zusammen, dass sich eine Person im Team nicht wohl fühlt, Kommunikationsschwierigkeiten bestehen oder andere hinderliche Dynamiken im Team die Zusammenarbeit belasten. „Eine Stigmatisierung wie ‚Der macht ja eh nie was‘, treibt Teams auseinander, gerade wenn sie auch noch über den Flurfunk verbreitet wird.“
Die Lösung: In einer solchen Situation gilt es, erst mal einen Schritt zurück zu treten und sich zu fragen: Stimmt meine Wahrnehmung eigentlich? Der Kommunikationsexperte und Team-Entwickler Peter Rach sagt: Im Grunde gehe es bei dem Konflikt um Gerechtigkeit. „Dabei neigen wir jedoch dazu, Gleichheit und Gerechtigkeit miteinander zu verwechseln.“
Tatsächlich kommen in einem Team oft Menschen zusammen, die nicht nur unterschiedliche Stärken haben, sondern auch unterschiedliche Leistungen erbringen. Aber genau das kann die Stärke eines Teams sein, findet Rach: „Ein Team muss sozusagen nicht nur aus hoch kompetitiven Rennpferden bestehen, die in kürzester Zeit wahnsinnig viel schaffen. Es darf auch ein paar gemütliche, ausgleichende Schildkröten geben“, sagt er. „Allerdings wäre es dann unfair, die Schildkröten nach dem Maßstab der Rennpferde zu messen und umgekehrt.“
Der Schlüssel liegt in der Erkenntnis, dass gar nicht alle auf dem gleichen Niveau sein müssen. Wichtig ist, dass jeder mit seinen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit einen gerechten Teil zur Bewältigung einer Aufgabe beitragen kann.
Dafür brauche es zum einen eine offene und intensive Diskussion über Stärken und Schwächen unter den Teammitgliedern, sagt Matthias Wagner. Aber auch eine Reflexion der Teamkultur und der Werte, die dem Team angesichts der anliegenden Aufgabenstellung wichtig sind.
Der fundamentale Attributionsfehler
Das Problem: Dieses psychologisches Phänomen tritt bei uns allen häufig auf: Wenn wir sehen, wie Kollegen einen Fehler machen, unterstellen wir ihnen gleich Dummheit oder bösen Willen, passiert derselbe Fehler aber uns, haben wir immer situationsbedingte Gründe dafür parat. Besonders schwierig wird das Ganze in Kombination mit einer Gruppenwahrnehmung, etwa: „Kollege X kann einfach nichts vernünftig erklären, typisch IT-Abteilung.“
Diese gegenseitige negative Bewertung der Leistung der anderen entsteht meist durch Missverständnisse, aber der dabei auf kommende Ärger erzeugt Konflikte im Team.
Die Lösung: „Am besten zögert man mit einer vorschnellen Bewertung und fragt sich: Warum würde ich etwas so machen wie diese Person, warum würde ein normaler, netter Kollege so handeln? Allein eine mögliche Antwort darauf macht aus dem Bösewicht wieder einen Menschen“, rät Peter Rach.
Gruppendenken oder „Group think“:
Das Problem: Gruppen entfalten ihre eigene Sozialdynamik, in der sich oft ein Mitglied als Meinungsführer durchsetzt, dem sich alle anderen anschließen, auch wenn sie nicht unbedingt die gleiche Meinung teilen. Doch die Furcht, ausgegrenzt zu werden, überwiegt. Dann entsteht eine sehr konforme Gruppe, in der alle die gleiche Meinung vertreten. Ein gemeinsames Gruppendenken bildet sich heraus. Widerspruch gibt es nicht mehr.
Die Lösung: „Gruppen entwickeln aber die besten Ideen, wenn möglichst viele unterschiedliche Meinungen diskutiert werden“, sagt Peter Rach. Deswegen lohnt es sich, bewusst in die Diskussion zu gehen, mit dem Auftrag, die Gegenmeinung zu vertreten. Dazu kann auch eine Person als Advocatus Diaboli bestimmt werden und bewusst Gegenargumente in die Diskussion einbringen. Wenn klar ist, dass Widerspruch die Rolle dieser Person im Team ist, gibt es auch keine negativen sozialen Auswirkungen. dpa